Haus der deutschen Sprache
Aktuelles

Analphabetismus kein Tabuthema mehr

Die 2011 veröffentlichte LEO-Studie der Universität Hamburg brachte erstmals wissenschaftlich fundiert das wahre Ausmaß des Analphabetismus in Deutschland ans Licht (SN III/2012, Seite 10). Damals konnten 7,5 Millionen Menschen, mehr als 14 Prozent der Erwerbsfähigen, nicht richtig schreiben und lesen. Und über 13 Millionen in Deutschland lebende Erwachsene hatten große Probleme mit der Rechtschreibung, wie sie bis zum Ende der Grund-schule unterrichtet wird.

Unter der Federführung der Kultusministerkonferenz hatten daraufhin Bund und Länder eine „Nationale Strategie zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener in Deutschland für den Zeitraum 2012 bis 2016“ erarbeitet. Darin wurden die verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte und Institutionen gebündelt, beispielsweise der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung, der Deutsche Volkshochschul-Verband, die Stiftung Lesen oder die Bundesagentur für Arbeit. Das führte letztendlich dazu, dass das bisher verdrängte Thema (funktionaler) Analphabetismus in der Öffentlichkeit breit diskutiert und damit enttabuisiert wurde.

Die 2018 durchgeführte Folgestudie mit Deutsch sprechen-den Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren kam zu dem Ergebnis, dass noch immer 6,2 Millionen Menschen Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben, rund 11 Millionen zeigen weiterhin eine auffällig fehlerhafte Rechtschreibung.

Im Juni 2019 stellte die Studienleiterin Dr. Anke Grotlüschen, Professorin an der Universität Hamburg, die Ergebnisse der zweiten LEO-Studie in Magdeburg vor: „Es ist besser geworden, es sind 1,3 Millionen weniger.“ Ausschlaggebend sei vermutlich eine veränderte Bevölkerungsstruktur mit einem größeren Anteil Erwerbstätiger mit einer durchschnittlich höheren Schulbildung. Den größten Verdienst der nationalen Netzwerke für Alphabetisierung und Grundbil-dung sieht Grotlüschen darin, dass diese Initiativen die Diskussion in die Gesellschaft getragen haben und unbedingt weiterzuführen sind.

Siehe auch http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo

Text und Foto: Jörg Bönisch

„Viele Erwachsene sind im Alltag sehr eingeschränkt“ – Studienleiterin Prof. Dr. Anke Grotlüschen stellte in Magdeburg die Ergebnisse der aktuellen Studie zum Analphabetismus in Deutschland vor.