Haus der deutschen Sprache

Gedicht des Monats

Das HDS stellt seinen Gästen jeden Monat ein Gedicht in deutscher Sprache vor oder ruft es in Erinnerung und bietet dazu ein paar kurze Anmerkungen an.

Diese Gedichte können von unterschiedlicher Thematik und Form sein, aus verschiedenen Jahrhunderten und Regionen oder Mundarten des deutschsprachigen Raumes stammen.

Sie, werter Gast, sind freundlich gebeten, dem HDS einen Vorschlag zu machen – ein besonders schönes, lustiges, einprägsames oder einfach Ihr liebstes Gedicht. Das HDS hofft auf Ihr Verständnis für seine Bitte, keine Gedichte von Ihnen selbst vorzuschlagen.

Bitte schicken Sie uns den Text, den Sie vorschlagen, den Namen der Dichterin oder des Dichters (auch die Lebensdaten, wenn Sie sie kennen) und, falls Sie möchten, ein paar Zeilen mit Erläuterungen oder einem kurzen Hinweis darauf, warum Sie dieses Gedicht gern haben, bitte nicht mehr als zwölf Zeilen und alles bitte nur im Format „Word“ – aus technischen Gründen. Sagen Sie uns bitte auch, in welcher Stadt Sie wohnen und ob wir den HDS-Gästen Ihren Namen oder dessen Anfangsbuchstaben mitteilen dürfen:

d-a-ch[at]hausderdeutschensprache.eu 

Buchpreis: „Der ewige Brunnen“ – 1660 deutschsprachige Gedichte, ausgewählt von Ludwig Reiners, C.H.Beck Verlag

Ein Exemplar dieser großartigen und traditionsreichen Sammlung wird jeden Monat unter denen verlost, die dem HDS ein Gedicht, wie gesagt: ein im Druck erschienenes, zur Aufnahme in die Reihe „Gedicht des Monats“ vorschlagen. Dazu braucht das HDS die Postanschrift, und der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Während Sie Ihren Vorschlag erwägen, möchte Sie das HDS mit einer Rose erfreuen.

Rosen Symbol, poetisches Bild, Metapher, Chiffre – die Rose steht für vieles: für Schönheit und Duft, für die Begehrte oder Geliebte, für zartes oder pralles Leben und zugleich für Vergänglichkeit, für Verletzbarkeit und – die Dornen! – für Wehrhaftigkeit.Da wundert es nicht, dass diese Blume seit Jahrhunderten, in vielen Teilen und Sprachen der Welt, immer wieder ein Motiv der Dichtung ist, in der Lyrik mehr als in den anderen Gattungen. Allein in der deutschen Literatur – vom Mittelalter bis in unsere Zeit – gibt es Hunderte von Gedichten, auch von weltlichen und kirchlichen Liedern, in denen die Rose blüht, welkt oder sticht.Eine kleine Auswahl:
Angelus Silesius (Johannes Scheffler), 1624-1677Aus dem „CHERUBINISCHEN WANDERSMANN“Die Ros‘ ist ohn warumb
sie blühet weil sie blühet
Sie achtt nicht ihrer selbst
fragt nicht ob man sie sihet.Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832Aus: CHINESISCH-DEUTSCHE JAHRES- UND TAGESZEITEN (IX und X)Nun weiß man erst, was Rosenknospe sei,
Jetzt, da die Rosenzeit vorbei;
Ein Spätling noch am Stocke glänzt
Und ganz allein die Blumenwelt ergänzt.Als Allerschönste bist du anerkannt,
Bist Königin des Blumenreichs genannt;
Unwidersprechlich allgemeines Zeugnis,
Streitsucht verbannend, wundersam Ereignis!
Du bist es also, bist kein bloßer Schein,
in dir trifft Schaun und Glauben überein;
Doch Forschung strebt und ringt, ermüdend nie,
nach dem Gesetz, dem Grund W a r u m und W i e.Heinrich Heine, 1797-1856ALTE ROSEEine Rosenknospe war
Sie, für die mein Herze glühte;
Doch sie wuchs, und wunderbar
Schoß sie auf in voller Blüte.Ward die schönste Ros’ im Land,
Und ich wollt die Rose brechen,
Doch sie wußte mich pikant
Mit den Dornen fortzustechen.Jetzt, wo sie verwelkt, zerfetzt
Und verklatscht von Wind und Regen –
“Liebster Heinrich“ bin ich jetzt,
Liebend kommt sie mir entgegen.Heinrich hinten, Heinrich vorn,
Klingt es jetzt mit süßen Tönen;
Sticht mich jetzt etwa ein Dorn,
Ist es an dem Kinn der Schönen.Allzu hart die Borsten sind,
Die des Kinnes Wärzchen zieren –
Geh ins Kloster, liebes Kind,
Oder lasse dich rasieren.Friedrich Hebbel, 1813-1863Ich sah des Sommers letzte Rose stehn:
sie war, als ob sie bluten könne, rot.
Da sprach ich schaudernd in Vorübergehn:
so weit im Leben ist zu nah am Tod!Es regte sich kein Hauch am heißen Tag,
nur leise strich ein weißer Schmetterling;
Doch, ob auch kaum die Luft sein Flügelschlag
bewegte, sie empfand es und verging.Rainer Maria Rilke, 1875-1926Rose, du Spätling, noch aufgehalten von bittren
Nächten, von zuviel sternischer Klarheit,
ahnst du, Rose, das süße, das leichte Erfülltsein
deiner Sommer-Geschwistern ?In deiner Knospe seh ich dich zögern, Tag für Tag,
du allzu fest verschlossenen Rose.
Du ahmst das Langsame des Todes nach
und wirst doch erst geboren.Läßt dich dein zahlloser Zustand erfahren,
in einer alles verwirrenden Mischung,
wie der unsagbare Klang aus Sein und Nichts ist,
den wir kaum gewahren ?
Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832HEIDENRÖSLEINSah ein Knab’ ein Röslein stehn.
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu sehn,
Sah’s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.Knabe sprach: „Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!“
Röslein sprach: „Ich steche dich,
Dass du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.“
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.Und der wilde Knabe brach
’s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihm auch kein Weh und Ach,
Musst’ es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.Friedrich Hölderlin, 1770-1843AN EINE ROSEEwig trägt im Mutterschoße,
Süße Königin der Flur!
Dich und mich die stille, große,
Allbelebende Natur;Röschen! unser Schmuck veraltet,
Stürm entblättern dich und mich;
Doch der ew’ge Keim entfaltet
Bald zu neuer Blüte sich.August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, 1798-1874Ein Röslein zog ich mir im Garten,
ich hatte meine Freud daran
Ja, sprach es immer, ich bin dein,
Ja, ja, ich blühe nur für dich für dich allein.Ein Röslein zog ich mir im Garten
Ich gab ihm hin mein ganzes Herz
Wie konnt’ ich doch so glücklich sein.Ein Röslein zog ich mir im Garten
Ein andrer hat es abgepflückt
Was mich erfreuet hat so sehr,
Ja, ich find es nun und nimmermehrTheodor Storm, 1817-1888Noch einmal fällt in meinen Schoß
die rote Rose Leidenschaft;
noch einmal hab‘ ich schwärmerisch
in Mädchenaugen mich vergafft.Noch einmal legt ein junges Herz
an meines seinen starken Schlag;
noch einmal weht an meine Stirn
ein juniheißer Sommertag.Bertolt Brecht, 1898-1956Ach, wie sollen wir die kleine Rose buchen?
Plötzlich dunkelrot und jung und nah?
Ach, wir kamen nicht, sie zu besuchen.
Aber als wir kamen, war sie da.Eh sie da war, ward sie nicht erwartet.
Als sie da war, ward sie kaum geglaubt.
Ach, zum Ziele kam, was nie gestartet.
Aber war es so nicht überhaupt?