Haus der deutschen Sprache
Gedicht des Monats

Gedicht des Monats November 2012

Lob der Faulheit
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)

Faulheit, endlich muß ich dir
Auch ein kleines Loblied bringen!
O!. . . Wie. . . sauer. . . wird es mir
Dich nach Würde zu besingen!
Doch ich will mein Bestes tun:
Nach der Arbeit ist gut ruhn.

Höchstes Gut, wer dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben. . .
Ach!. . . ich gähn!. . . ich. . . werde matt.
Nun, so magst du mir’s vergeben,
Daß ich dich nicht singen kann:
Du verhinderst mich ja dran
„Lob der Faulheit“ erzählt von dem Versuch, ein Loblied auf die Faulheit zu dichten. Dieses Vorhaben scheitert aber an der Faulheit selbst.

Das Gedicht umfasst zwei Strophen mit jeweils sechs Versen, die je Strophe einen Kreuzreim und einen Paarreim bilden. In der ersten Strophe wird das Anliegen ein Loblied zu verfassen formuliert; hier zeigen sich erste Probleme bei der Durchführung: „O!… Wie… sauer… wird es mir“.  Doch der Entschluss steht fest und so wird motivierend angefügt „Nach der Arbeit ist gut ruhn“. In der zweiten Strophe beginnt die Preisung als „Höchstes Gut“, doch dann kommt die Faulheit zuvor und verhindert ein Vollenden des Lobliedes. Die Faulheit selbst hindert an dem Verfassen des Lobes, welches als größtes Lob im Bezug auf die Faulheit erscheinen kann.

Die Ironie, die sich im Inhalt bemerkbar macht, zeigt sich auch auf formaler Ebene. Im dritten Vers werden Pausen durch Auslassungspunkte markiert. Diese unterstreichen den Prozess der ergreifenden Faulheit und verdeutlichen die Hindernisse beim Verfassen des Lobliedes.

Der durchgängige Trochäus, der als Gegenstück zum Jambus bezeichnet wird und üblicherweise in seiner Wirkung nicht fortschreitend erscheint, verstärkt den Eindruck des verlangsamten und schließlich vermeintlich gescheiterten Prozesses.

Gotthold Ephraim Lessing
Gotthold Ephraim Lessing, Gemälde von Anton Graff (1771)

Gotthold Ephraim Lessing wird am 22. Januar 1729 in Kamenz, Sachsen geboren. Lessing wird zunächst von seinem lutherisch orthodoxen Vater Johann Gottfried Lessing selbst unterrichtet. Mit acht Jahren besucht er dann die Lateinschule. Parallel dazu bittet der Vater um ein Stipendium an der Fürstenschule St. Afra in Meißen, welches 1741 nach dem hervorragenden Bestehen der Aufnahmeprüfung Lessing mit Mitteln der Adelsfamilie Carlowitz gewährt wird. Während dieser Zeit kommt es zu den ersten schriftstellerischen Versuchen. Wegen seiner guten Leistungen kann er bereits 1746 an die Universität Leipzig wechseln.

In Leipzig studiert er zunächst auf Wunsch seines Vaters Theologie, ab 1748 dann Medizin. Er studiert auch in Wittenberg und arbeitet einige Zeit für die „Berlinerische Privilegierte Zeitung“ und die „Critischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit“.

1752 Promoviert er zum Magister der Sieben Freien Künste (Ein Kanon von sieben Studienfächern seit der Antike; er umfasst Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie). Aus der Zeit seines Medizinstudiums stammt auch das Gedicht „Lob der Faulheit“. In den nächsten 15 Jahren wohnt Lessing in Leipzig, bricht zu einer mehrjährig angelegten Bildungsreise auf, die er aber abbrechen muss und kehrt nach Berlin zurück, bevor er als Dramaturg und Berater am Hamburger Nationaltheater arbeitet.

1770 arbeitet Lessing als Bibliothekar in Wolfenbüttel und ein Jahr später wird er in die Freimaurerloge „Zu den drei Rosen“ in Hamburg aufgenommen. Freimaurer verstehen sich als ethischer Bund freier Menschen mit den fünf Grundidealen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Im selben Jahr verlobt Lessing sich mit der Witwe Eva König, die er 1776 heiratet. Eva König stirbt, ebenso wie ihr Sohn, nach der Geburt dessen 1777. Zwei Jahre später erkrankt auch Lessing und stirbt am 15. Feburar 1781 in Braunschweig.

Gottthold Ephraim Lessing ist ein bedeutender Dichter der deutschen Aufklärung. Sein Ideal der Freiheit ist in nahezu allen Werken zu finden. Er setzte sich dafür ein, das Bürgertum von der Bevormundung durch den Adel zu befreien und auch sein eigenes Leben wollte er stets unter dem Ideal der Unabhängigkeit als freier Schriftsteller gestalten.

Heute wirkt er vor allem noch durch seine Theaterstücke, die bis heute aufgeführt werden. Sein Theaterbegriff fußt auf einer Rückbesinnung auf die Grundsätze Aristoteles und er spricht sich gegen die seinerzeit verbreitete Literaturtheorie Gottscheds und die Nachahmung französischer Vorbilder aus.

Emilia Galotti, Titelblatt der Erstausgabe von 1772
Emilia Galotti, Titelblatt der Erstausgabe von 1772

Immer noch viel rezipiert, unter anderem im Schulunterricht, ist das bürgerliche Trauerspiel „Emilia Galotti“. In seinen fünf Aufzügen wurde es erstmals am 13. März 1772 im Herzoglichen Opernhaus in Braunschweig aufgeführt. Lessing selber besuchte keine der Aufführungen.

„Emilia Galotti“ erzählt von der Liebe des Prinzen von Gustalla, Hettore Gonzaga, der sich in die bereits verlobte Emilia Galotti verliebt. Um die Hochzeit zu verhindern, lässt der Kammerherr des Prinzen Emilia und ihren Verlobten überfallen, tötet den Verlobten und Emilia wird mit ihrer Mutter zum Lustschloss des Prinzen gebracht.

Dort versucht die Gräfin Orsina aus enttäuschter Liebe zum Prinzen, Emilias Vater zur Rache für den Tod des Verlobten zu bewegen und Hettore zu ermodern. Der Vater fordert daraufhin ein Gespräch mit seiner Tochter, in dessen Verlauf Emilia aus Angst, sich von dem Prinzen verführen zu lassen, ihn bittet sie zu töten. Da der Vater zögert, versucht sie selbst seinen Dolch an sich zu reißen. Als ihr Vater diese große Verzweiflung erkennt, erdolcht er seine Tochter, um ihre Ehre zu bewahren.

Auch hier zeigt sich Lessings Ideal der Freiheit und Unabhängigkeit. So spielt die Liebe eine wichtige Rolle, jedoch ist das Stück eher ein politisches Stück. Lessing stellt der willkürlichen Herrschaft des Adels die neue durch Aufklärung geprägte Moral des Bürgertums und das Liebesverständnis der Empfindsamkeit gegenüber.

 

Lessing Denkmal
Enthüllung des Lessing-Denkmals auf dem Hamburger Gänsemarkt, 1881

Zahlreiche Denkmäler erinnern noch an Lessing. In Braunschweig gibt es auf dem Lessingplatz ein Bronzestandbild, auf dem Hamburger Gänsemarkt wurde ein Denkmal anlässlich des 100. Todestages enthüllt, in Berlin-Mitte erinnert eine Gedenktafel an den Dichter der deutschen Aufklärung und in Wolfenbüttel und seiner Geburtstadt Kamenz widmen sich Museen seinen Werken und seinem Wirken. Auch durch die Verfilmungen seiner Stücke und durch sein Portrait auf Briefmarken (1926, 1961, 1979) ist Lessing präsent.

Lessing Briefmarke
70 Pf-Sondermarke der DDR-Post 1979

Bildnachweis: Alle Bilder sind gemeinfrei und enstammen dem Eintrag zu Lessing aus der Wikipedia