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Eine Frage der Moral.

Anatol Stefanowitsch, Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen. Berlin, Duden-Verlag 2018, 83 Seiten, 8,00 €, ISBN 978-3411743582

Mit dem Begriff der „politischen Korrektkeit“ versucht man in der Sprache Diskriminierung und Herabwürdigung durch die Auswahl entsprechen-der Ausdrucksweisen zu vermeiden. Psychologisch schwingt dabei die Vorstellung mit, dass man dadurch zur Lösung bestehender gesellschaftlicher Probleme und zur Besserung der Lage benachteiligter Personen(gruppen) beitragen kann. Eben diesem Thema ist Stefanowitschs Büchlein gewidmet, das manche Anregung dazu bietet. Allerdings zeugt schon die Einleitung von einer einseitigen, ideologisch gefärbten Sichtweise, wenn es heißt (9): „Seitdem rechte Bewegungen und Parteien wieder Aufwind haben, drängt sich mit deren menschenverachtendem Gedankengut auch ein Sprachgebrauch in die Öffentlichkeit, der wegen seiner offensichtlichen Brutalität auf breite Ablehnung stößt.“

Gerade durch solche Aussagen erfuhr der „politisch korrekte Sprachgebrauch“ in letzter Zeit einen Bedeutungswandel und wird vielfach als politisches Schlagwort von der eher konservativen bzw. „rechten“ Seite als „Diffamierungsvokabel“ für das gesamte liberale bzw. „linke“ Spektrum eingesetzt. Dies liegt m. M. auch daran, dass man im öffentlichen Diskurs sehr locker mit Begriffen wie Rechts- und Linksextremismus umgeht, wobei man sich gegenseitig mit entsprechender Kritik und Diffamierung überhäuft. Denn auch viele Aussagen der „linken“ Seite sind alles andere als „politisch korrekt“ zu betrachten, wenn von „ewiggestrigem“ oder „rückwärtsgewandtem“ Gedankengut die Rede ist. „Politische Korrektheit“ hat offensichtlich für die jeweils andere Seite auch negative Konnotationen, man sollte sie in erster Linie aber neutral im Sinne eines höflichen Umgangs miteinander in der politischen Auseinandersetzung sehen, um als Mittel gegenseitiger Achtung zu dienen und zur Begegnung mit „anderen“ auf Augenhöhe beitragen zu können, indem problematische, oft auch als beleidigend empfundene Ausdrucksweisen vermieden werden, um den schwierigen Weg zu Verständigung und Lösungen zu ermöglichen – was für beide Seiten gilt!

Das Buch ist in drei Hauptkapitel eingeteilt: „Was politisch korrekte Sprache ist und wer sie kritisiert“ (9 ff.), „Wie Sprache und Moral zusammenhängen“ (23 ff.) und „Wie wir moralisch sprechen“ (47 ff.); und schließlich am Ende des Buches „Zum Schluss“ (61–63). Durchgehend wird eine geschlechtergerechte Schreibweise verwendet, Muster Leser/-Innen – die einzige vom Duden empfohlene Variante. Gelegentlich wird auch auf andere Möglichkeiten hingewiesen, zum Beispiel auf die Sternchen-Schreibung (Leser*innen). Stefanowitsch zeigt zwar manchen Sprachgebrauch auf, der in der Tat problematisch ist, wünscht aber „keine Sprachvorschriften“ (81), doch zwischen den Zeilen tritt er deutlich gegen das generische Maskulinum auf, weil es die Frau „systematisch versteckt“ (36). Sprachwissenschaftlich gesehen ist die „politische Korrektkeit“ eher ein Randthema, die sich hauptsächlich im Bereich Semantik und Soziolinguistik sowie Sprachpolitik und „feministischer Linguistik“ bewegt und versucht, normativ auf die Standardsprache einzuwirken, indem man einerseits bestimmte Ausdrucksweisen als nicht mehr der Norm zugehörig bezeichnet, andererseits neue Formulierungen als neue Norm kreiert. Besonders deutlich kommt dies beim „feministischen Sprachgebrauch“ zum Vorschein, der zwar bei Stefanowitsch nicht im Mittelpunkt steht, doch deutlich eingefordert wird.

Heinz-Dieter Pohl

Anatol Stefanowitsch, Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen. Berlin, Duden-Verlag 2018, 83 Seiten, 8,00 €, ISBN 978-3411743582