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Gedicht des Monats

Gedicht des Monats Februar 2012

Es lohnt sich doch

Joachim Ringelnatz (1883- 1934)

Es lohnt sich doch, ein wenig lieb zu sein
Und alles auf das Einfachste zu schrauben,
Und es ist gar nicht Großmut zu verzeihn,
Daß andere ganz anders als wir glauben.

Und stimmte es, daß Leidenschaft Natur
Bedeutete im guten und im bösen,
Ist doch ein Knoten in dem Schuhband nur
Mit Ruhe und mit Liebe aufzulösen.
(Quelle: Projekt Gutenberg)

Es lohnt sich doch plädiert für Einfachheit und Freundlichkeit. Für Toleranz, Liebe und den Grundsatz: In der Ruhe liegt die Kraft.

Portrait Joachim Ringelnatz
Joachim Ringelnatz, als Hans Bötticher in Sachsen geboren, ist einer der wenigen Vertreter der literarischen Komik. In seiner Dichtung trifft Moral auf Nonsens, Ernst auf Komik und Sarkasmus auf Empfindsamkeit. Vielleicht war es  mangelnde Liebe, die den nach Einfachheit strebenden Kabarettisten Ringelnatz durch sein bewegtes Leben trieb. Sah er sich doch selbst geplagt durch ein drolliges Aussehen und vernachlässigt durch die Mutter. Auch sein Vater, aus einer angesehenen Gelehrtenfamilie stammend und stolz auf seinen Sohn, konnte dessen Abenteuerlust nicht mildern.

Trotz guter Voraussetzungen durch das Elternhaus, fiel Ringelnatz schon in der Schule als rüpelhafter Banause auf. Auch seine vielfältigen Arbeitsstellen zeugen eher vom Leben eines Straßenjungen als von einem zielstrebigen Gelehrten, wie ihn sein Vater wohl lieber gesehen hätte. So erhielt er seinen Ruf als Abenteurer in den Jahren als Schiffsjunge und bei seinen Zügen durch den großstädtischen Arbeitsmarkt. Er verdiente sein Geld unter anderem als Hausmeister, als Helfer in einer Schlangenbude, als Zeitungsverkäufer, als kaufmännischer Lehrling, in einer Gartenbauschule, als Besitzer eines Tabakladens, als Bibliothekar, als Archivar, als Schaufensterdekorateur und als Fremdenführer. Doch hinter seiner seemannsrauhen Schale steckte ein künstlerischer und vor allem gutmütiger Kern. Allein der Umfang seines Werks, zu dem Märchen und Erzählungen, Gedichtbände und Romane, Autobiografien und Bühnenstücke, Zeichnungen und Malereien gehören, machen Joachim Ringelnatz zu einem leidenschaftlichen Schriftsteller und Künstler.

 

 

Die Literatur war für Ringelnatz eine Konstante, die ihn Zeit seines Lebens begleitete. Schon als Kind trug er Geschichten und Gedichte auf Familienfeiern vor. Dabei kam sein literarisches Talent mit dem Hang zur Komik nicht aus dem Nirgendwo. Bereits sein Vater, Georg Bötticher (1849-1918), verfasste vorwiegend humoristische Texte für Jugendbücher und Zeitschriften, einige davon schrieb Bötticher in sächsischem Dialekt.

D’r Sakkse
In Schbrachgebiet von Meißen
Driffd m’r dän Menschen ann,
Dän sich – zumal in Breißen–
Gee Mensch vergleichen gann.

Von zardrer »Seelengiede«
Gee zweeder is begannd,
A weechrer von »Gemiede«
Läbd nich in deidschen Land.

Ihn schiddsen Gedderhände
Vor »harder Lähmensnod«
Un schdärbd’r ooch am Ende –
Geens schdärbd ä samfdern »Dod«!

Portraitrelief Georg Bötticher

 

 

Auch die Kunst spielte eine wesentliche Rolle in dem Leben von Joachim Ringelnatz. Seine Mutter war Musterzeichnerin für Perlenstickereien, sein Vater war Musterzeichner für eine Tapetenfirma, bevor er sich der Literatur widmete. Auch Ringelnatz war seit den 1920er Jahren als freier Zeichner und Maler unterwegs. Er zeichnete, malte Bilder sowohl in Öl als auch in Aquarell. Gemeinhin gilt Ringelnatz´Malerei als naiv, also als einfach sowohl in der Darstellung als auch in der Wahl der Bildmotive. Auch der ihm häufig nachgesagte Hang zum Grotesken ist auf einem Bild wie Beschaulichkeit nicht schwer zu finden, wenn im Vordergrund eine adrette Dame bei der klassischen Toilette, also vor dem Spiegel sich zurechtmachend, dargestellt ist und im Hintergrund eine weitere Dame in womöglich angestrengter Haltung auf einer tatsächlichen Toilette sitzt. Somit lässt sich auch in seinen Bildern der Ringelnatzsche Charakter wiederfinden, den er bereits in seiner literarischen Satire versprüht.

Ringelnatz´ Kabarett-Karriere reicht vom Hausdichter der Münchner Künstlerkneipe Simplicissimus über die Berliner Kleinkunstbühne Schall und Rauch, bis hin zu eigenen Tourneen und seine Kunst wurde neben bedeutenden Größen wie George Grosz und Otto Dix ausgestellt.
Nachdem er jedoch 1933 ein Auftrittsverbot durch die Nationalsozialisten erhält, stirbt er am 16. November 1934 an Tuberkolose. Viele seiner Bilder gelten seit dieser Zeit als Verschollen.

In der Betrachtung seines Lebens ist seine Liebe zur See ein starker Inhalt. Sie begann als Schiffsjunge, wurde zum Matrosen und schließlich auch zum Marineoffizier, der Seemannsausdruck für Seepferdchen wurde sein Künstlername und seine Frau nannte er Muschelkalk, ein Material, aus dem auch sein Grabstein gefertigt ist.

Grabstein J. Ringelnatz

 

Bilder: Wikipedia (Artikel: Joachim Ringelnatz, Georg Bötticher)