Haus der deutschen Sprache
Sprachenvielfalt

Wer Haare auf den Zähnen hat … Unterm D-A-CH und anderswo

Wer Haare auf den Zähnen hat, mit dem ist nicht gut Kirschen essen.

Klar, aber wieso? – Was unsere bildlichen Redewendungen bedeuten, wissen wir. Aber woher kommen sie? Welchen konkreten Sachverhalt oder Anblick, welches dem Hörer oder Sprecher bekannte Geschehen haben sie einst abgebildet?

Wir und auch die gelehrten Bücher wissen es oft nicht mehr. Wieso beißt keine Maus den Faden ab, wenn etwas unbestreitbar ist? War die Erfinderin der Gutgläubigkeit blauäugig?

 blaue Augen
Deutsch ist reich an Wortbildern. Mit ihnen wollen wir unser Sprechen „anschaulich“ machen. Hochnäsig – das sieht man bildlich vor sich, auch die blühende Tochter. Grabesstille lässt uns schaudern, ein Hoffnungsschimmer hellt die Stimmung auf.

Auch Bilder, die wir sinnlich nicht mehr nachempfinden können, verstehen wir: Wir haben sie in eindeutigem Zusammenhang gehört oder gelesen. Eine Generation reicht ihre Bilder und die ihrer Vorfahren an die nächste weiter – in Wort und Schrift.

Man kann mit ihnen auch spielen, sich über sie lustig machen. Der Zahn der Zeit, der schon manche Träne getrocknet hat, wird auch über dieser Wunde Gras wachsen lassen. Mit diesem Bilder-Monstrum wollte uns die Schule oder die Familie vor dem „Bildbruch“ warnen oder einfach davor, es mit der Bildlichkeit zu übertreiben. „Mal auf den Arm genommen zu werden, ist kein Beinbruch.“Mensch als Maß aller DingeKein Beinbruch und auf den Arm nehmen – viele unserer Sprachbilder, auch „Metaphern“ genannt, haben mit unserem Körper zu tun. Den kennen wir. Wir haben ihn – wie schon unsere Ahnen – täglich ‚im Blick‘, von oben bis unten, von den Haaren, die einem zu Berge stehen, bis zu den Fersen, auf die man sich macht; von A wie Augen, in die uns niemand Sand streuen, bis zu Z wie Zehen, auf die uns niemand treten darf.Eine vollständige Liste dieser Bilder würde viele Seiten füllen, brächte den Gästen des HDS aber nur Altbekanntes.

GB, F, FIN, I, NL, PL, RU, SV, SP, CZ
Buntes hingegen bietet der Blick über die Sprachgrenzen. Der menschliche Körper ist offenbar allenthalben eine Hauptquelle bildlicher Redensarten. Zwar unterscheidet er sich anderswo nicht nennenswert vom Standardmodell in Deutschland, Österreich und der Schweiz („D-A-CH“), doch einige der Bilder sehen draußen anders aus als bei uns. Einige. Andere sind Zwillinge unserer Metaphern.

Eine dritte Gruppe bilden die körperbezogenen Redensarten, die es bei uns, aber in anderen Sprachen nicht gibt, und solche, die anderswo gebräuchlich, uns aber fremd sind.

Gemeinsam – dies nebenbei – ist vielen Sprachen, dass sie gelegentlich den Schatz ihrer Körperbilder „tierisch“ anreichern. Im Deutschen z.B. schmücken wir unseren Leib hin und wieder mit Körperteilen, die der homo sapiens normalis gar nicht hat. So reden wir, wie uns der Schnabel gewachsen ist, haben ein dickes Fell, ziehen den Schwanz ein, nehmen jemanden auf die Hörner oder setzen ihm solche auf.

Zu diesem vergleichenden Spiel angeregt wurde das HDS durch Katja Grupp, Deutschlektorin an der Kant-Universität in Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg. Sie hat ihre russischen Student(inn)en des 2. Studienjahres prüfen lassen, welche Entsprechungen deutsche Körpermetaphern im Russischen haben und umgekehrt – mit hübschen, zum Weiterspielen reizenden Ergebnissen.

Das HDS hat sich in zehn Sprachen Europas umgeschaut, in je drei

- germanischen (Englisch, Niederländisch, Schwedisch),
- slawischen (Polnisch,Russisch,Tschechisch), 
- romanischen (Französisch, Italienisch, Spanisch) und einer

finno-ugrischen (Finnisch).

Geholfen haben ihm dabei freundliche Expert(inn)en – für

Englisch (GB) Erik Kirschbaum

Finnisch (FIN) Eija Antinoja

Französisch (F) Alicia Auberson, Gabriele Ullrich, Christine Viot

Italienisch (I) Gino Ragno

Niederländisch (NL)Sandra Keuper

Polnisch (PL)Urszula Kawalec, Monika Mánczyk-Krygiel

Russisch (RU) Maria Atroschko, Jelena Krjutschenkowa, Maria Majorowa

Schwedisch (SV) Jochen Barthel

Spanisch (SP) Silvia Outón Argibay

Tschechisch (CZ) Kristina Larischowa.

Als der Rundgang durch die deutsche und zehn weitere europäische Sprachen schon abgeschlossen war, erreichte uns noch ein Beitrag von Frau Eike Mai Rapsch und von Frau Beate von der Osten, der Leiterin des Sprachendienstes der deutschen Botschaft in JAPAN. Das HDS dankt für die interessanten Körpermetaphern aus Fernost und trägt einige davon für seine Gäste am Ende dieses Artikels nach.


Fangen wir oben an, beim Kopf:

Ein Brett vor dem Kopf scheinen nur D-A-CH und NL zu kennen (een plank voor het hoofd hebben). Kopfschmerzen im übertragenen Sinne kennen natürlich alle. Aus dem Kopf schlagen hingegen nur wir uns etwas und PL (wybić sobie coś z głowy). Die anderen „nehmen“ oder „legen“ etwas aus dem Kopf: io mi tolgo qualcosa dalla testa; ik zet me iets uit het hoofd; me quito algo de la cabeza. In  RU „wirft“ man etwas aus dem Kopf hinaus: Выбросить что-либо из головы[wybrosit tschto-libo is golowy].

Den Kopf in den Sand stecken wir alle: to stick one’s head in the sand; infilare la testa nella sabbia; de kop in het zand steken; chować głowę w piasek; спрятать голову в песок[sprjatat golowu w pesok];doppa huvud i sanden; strkat hlavu do písku. SP sagt offen, wem es dies Sportart abgeschaut hat: esconder la cabeza como las avestruces. Da das in FIN nur im kurzen Sommer ginge, steckt man dort den Kopf in den Busch: työnnän pääni pensaaseen.

Auf unserem Weg mit dem Kopf durch die Wand begleitet uns PL (chcieć głową przebić mur), F immerhin bis zur Wand (wenn auch nicht mit dem Kopf voraus; courir droit dans le mur). NL versucht’s gar nicht erst: men kan met zijn hoofd niet door de muur lopen. Deshalb lässt man es in RU ganz bleiben: besser „auf einen spitzen Pfahl klettern“: лезтъ на рожон[lest na roshon].

GB,F,FIN, I,NL, PL,RU,SV,SP,CZ
Kopflos:   got your brain switched off;päätön; sans cervelle (Hirn);senza testa; als een kip (Huhn) zonder kop; bez głowy; Безмозглый[besmosglyi] (ohne Hirn; auch:) Без царя в голове[bes zarja w golowe] (ohne den Zaren im Kopf); huvudlös; sin pies ni cabeza (ohne Füße und Kopf); bezhlavě.

Kopf hoch!:   Keep your chin up! (Kinn);pää pystyyn!Testa alta! Kop op!Głowa do góry!Выше голову![Wysche golowu!](Kopf höher!) OderНе вешай нос! [Nje weschai nos!] (Nase nicht hängen lassen!); Upp met hakan!(Kinn); Hlavu vzhůru!

Haar(e):Etwas an den Haaren herbei zieht man, so scheint’s, nur auf Deutsch und in RUS: притянутъ что-либо за волосы [pritjanut tschto-libo sa wolosy]. Aufs Haare Spalten versteht man sich zumindest auch noch in GB (hair-splitting), NL (haar- kloverij) und SV (hårklyveri), besonders gründlich in I: spaccare un capello in quattro.

Um ein Haar / um Haaresbreite. Diese einst kleinste Maßeinheit trotzt der Nanometrie, überall wörtlich gleich. By a hair;hiuskarvan varassa; il s’en est fallu d’un cheveu; het scheelde maar een haartje; o mały włos (kleines Haar); на волосок[na wolosok] (Härchen); på ett hår när; por los pelos; o chlup. I ist einen Hauch poetischer: per un soffio um einen Hauch eben. Wir kennen dasselbe Bild.  Ausschnitt Venus von Boticellischwarze MännerhaareDass sich einem Menschen die Haaresträuben oder ihm die Haare zu Berge stehen – wer hätte das je mit eigenen Augen gesehen? Übertragen wir Fell- oder Pelztierisches bildlich auf den Menschen? Offenbar, und dies polyglott: The hair stand up on my head oder hair-raising; hiuksia nostattava;les cheveux se dressent sur la tête; addrizzare i capelli; de haren rezen mij te berge; hårresande; poner los pelos de punta; z něčeho vstávají vlasy hrůzou. RU – gleichermaßen entsetzt, aberohne Tierhaare: у меня глаза на об полезли[u menja glasa na lob polesli] (mir klettern die Augen auf die Stirn). Aber auch das Bild mit den zu Berge stehenden Haaren ist in RU wortgleich bekannt: у меня волосы встали дыбом (u menja wolosy wstali dybom).

GB,F,FIN, I,NL, PL,RU,SV,SP,CZ


Auge

Augenschein (oogenschijn) und Augenschmaus kennt man anderswo kaum. Beim Augenblick sind NL und SV mit ogenblik und ögonblick an unserer Seite und beim Augenmaß SP mit ojìmetro, I mit misura a occhio.

 

Von blauäugig war eingangs die Rede – ein nur deutsches Wortbild für „gutgläubig“ – fast, immerhin auch sinisilmäinen. Allein stehen wir auch mit der Redewendung, jemand sei mit einem blauen Auge davongekommen, d.h. es hätte schlimmer kommen können. (In GBschlägt das Schicksal eine Schattierung härter zu: black eye.) In PL und RU kommt man „trocken“ davon/aus dem Wasser: uchodzić/ujść komuś na sucho und выйти сухим из воды[wyiti suchim is woda],in NL ohne Kleiderrisse: er zonder kleerscheuren afkomen.blaues AugeDie redensartliche Verfärbung des Auges tritt durch Gewalt ein, sozusagen „faustisch“. Und nichts passt nun mal so schlecht wie die Faust aufs Auge. Keiner unserer Sprachnachbarn hat ein gleiches Bild, doch mancher ein ähnlich kontraststarkes: In F denkt man gern kulinarisch: Cela vient comme un cheveu (Haar) sur la soup. PL sieht – gleichermaßen drastisch – die Faust unpassenderweise auf der Nase: pasuje jak pięść do nosa. RU und NL weichen ins Haustierische aus: „Das passt wie der Sattel auf die Kuh“ – это идет как корове седло[eto idjot kak korowe sedlo]; dat slaat als een tang op een varken(„schlägt wie eine Zange auf ein Schwein“). SV sieht chemische Probleme: „Das passt wie Salz zum sauren Auge“ – det passar som salt i surt öga. SP unterscheidet zwischen abstrakter Bedeutung: „das passt wie eine Fußstapfe“ – (sienta como una patada) und materieller: „bleibt nicht mal mit Leim kleben“ (non pega ni con cola). Wörtlich in CZ wie unterm D-A-CH: Jako pěst na oko.

 

Hals-Nasen-Ohren:

Erfreuliche Bilder gibt der Hals kaum her. Gut, wir singen aus vollem Halse (luidkeels), aber wenn wir den Hals voll haben, reicht’s. Den Halsabschneider oder den, der uns den Hals umdrehen will,  halten wir uns möglichst vom Hals, indem wir Hals über Kopf davonlaufen, in halsbrecherischem Tempo. Sind wir begehrlich, machen wir einen langen Hals, und Unbelehrbare sind halsstarrig.

Der cut-throat meuchelt in GB. Während uns ein Bissen oder das Wort im Hals stecken bleibt (слова застряли у него в горле[slowa sastrjali u nego w gorle]), stirbt  in I dort die Stimme (la voce gli muore in gola).

GB,F,FIN, I,NL, PL,RU,SV,SP,CZ
Mancher hat eine gute Nase für dies oder das. Finden wir jemanden naseweis, lässt uns das die Nase rümpfen (de neus optrekken, arricciare il naso – kräuseln). Naseweis – NL undSV lassen uns nicht allein: neuswijs, näsvis.

Bei hochnäsig herrscht größeres Einvernehmen: (somebody got his) nose stuck up in the air; avoir le nez en l’air; neus in de wind; zadzierać nosa; ктоливо задирает нос[kto-libo sadirajet nos]: (jemand hebt die Nase hoch); s nosem nahoru. An die eigene Nase fassen nur wir uns. Stark, wenn auch in seinem Sinn von anderen nicht sofort zu erschließen, ist NLs Butterbild (selbst nicht unschuldig sein = boter op zijn hoofd hebben; tätige Selbstkritik: de hand in eigen boezem [Busen] steken).NaseNicht uns selbst, sondern dem Mitmenschen fassen wir an die Nase, wenn wir ihn an selbiger herumführen wollen. Ein Bild aus der Hornviehhaltung? Dafür spricht to lead by the nose wie auch (wörtlich gleich) menare per il naso oder водитъ коголибо за нос[wodit kogo-libo sa nos].

Ein offenes Ohr, an open ear, ist ein naheliegendes Bild. Selbst wenn es irgendwo nicht existierte, brauchte man es nur wörtlich in diese Sprache zu übersetzen, und man würde sofort verstanden. Aber die Ohren spitzt man allein unterm D-A-CH, und auch aufs Ohr hauen nur wir uns. OhrJemanden zu betuppen, ihn übers Ohr zu  hauen,  ist allenthalben an der Tagesordnung – allerdings körperbildlich recht  unterschiedlich.In FIN sägt man jemandem ins Auge: sahata silmään, und in F geht’s gleich, aber gewaltlos, um den ganzen Kopf: se payer la tête de quelqu’un. NL näht an: iemand een oor aannaaien, und in PL steckt man jemanden in eine Flasche (nabić kogoś w butelkę) oder macht ein Pferd aus ihm (robić kogoś w konia). RU hat’s auch mit den Ohren, aber über die hängt man jemandem einfach Nudeln  (навеситъ лапши на уши[nawesit lapschi na uschi]). Tierisch anschaulich in SP:desplumar a alguien (jemandem Federn ausrupfen – wieder eine dem Menschen bildlich zuerkannte Ausstattung).GB,F,FIN, I,NL, PL,RU,SV,SP,CZAuch die Zähne geben einiges her. Wir beißen sie zusammen – nicht nur wir: to set one’s teeth, stringere i denti, de tanden op elkaar (aufeinander) zetten, стиснутъ зубы[stisnut suby] (zusammenpressen). Wir ziehen jemandem einen Zahn, um ihn von einer Illusion/Forderung/Vorstellung abzubringen. Ohne Mittel, seinen Willen durchzusetzen, ist man zahnlos, bei uns und fast überall: toothless, hampaaton, senza denti, sans dents, tandlös.ZähneNachbarin der Zähne ist die Zunge. Sie ist – sprachlich gesehen – das Bild ihrer selbst. Sie hat zwar noch andere Aufgaben, aber ihre wichtigste ist das Sprechen. So ist „Zunge“ denn fast überall nicht nur ein Körperteil, sondern zugleich das Wort, wenigstens aber ein Wort für Sprache.

Das gleichbedeutende Nebeneinander beider Wörter muss Luther schon im Hebräischen vorgefunden haben. Seine Übersetzung der Geschichte vom Turmbau zu Babel beginnt so: „Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache“. Auch im Altgriechischen stand Glossa für beides. Luther im Neuen Testament: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete …“.

Schlicht identisch sind die Bezeichnungen für „Zunge“ und „Sprache“ in vier unserer zehn Sprachen: langue, lingua, язык[jasyk] und jazyk. Ein zweites Wort, wie im Deutschen „Sprache“ neben „Zunge“, haben FIN: kieli/puhe, GB: tongue/language, NL: tong/taal, PL: język/mowa, SV: tungomål/språg, SP: lengua/idioma. Dieses zweite Wort hat freilich meist neben „Sprache“ auch eine weitere Bedeutung: das Sprechen, das Reden oder eine Sprache im Vergleich zu einer anderen.

Dass in der deutschen Version einer Speisekarte am Ufer des Mittelmeers „gepokelt Sprache“ angeboten wird, kann das HDS nicht aus eigener Anschauung bestätigen. Doch es weiß: Das Suchen in Wörterbüchern hat seine Tücken.

Doppelzüngig bedeutet also keinen anatomischen Defekt, sondern einen charakterlichen.  To speak with a forked tongue soll aus dem Indianischen übersetzt sein. Dafür spricht, dass eine unserer polnische Expertinnen o podwójnym języku nur aus übersetzten Wildwest-Romanen kennt. Dwulicowy, двуличный[dwulitschnyi],tener dos caras stehen für doppelgesichtig, das auch wir als Bild mit ähnlicher Bedeutung haben, ebenso wie FIN: kaksinaamainen. Ansonsten aber: dalla lingua biforcuta, een dubbele tong hebben, tvetungad.

GB,F,FIN, I,NL, PL,RU,SV,SP,CZ

Schweigsame Menschen beißen sich lieber die Zunge ab, als dass sie etwas sagen, mitteilsame hingegen tragen ihr Herz in  GB on their sleeves, bei uns auf der Zunge.

Vom Kopf hinab zum Leib, in dem das Herz schlägt und an dem Arme und Beine befestigt, wenn auch sprachbildlich nicht übermäßig ergiebig sind.

Zunächst: Wenn wir jemanden verulken wollen, nehmen wir ihn, unterm D-A-CH, auf den Arm. Jenseits des Kanals: we pull somebody’s leg. Andere Länder, andere Sitten. HandDeutlich mehr geben die Enden dieser Extremitäten her. Wenn sie gleich beide zusammen ‚ins Bild kommen’, also etwas Hand und Fuß haben soll, macht PL fast wortgleich mit: coś ma ręce i nogi (hat Hände und Füße). Auch in SP sind beide Füße und dazu der Kopf gefordert: algo tiene pies y cabeza. Den Kopf braucht’s ebenfalls in CZ, aber am unteren Ende genügt die Ferse: něco má hlavu a patu.Negativ gebräuchlich ist das Bild auch in F, allerdings mit anderen Parametern:  n’avoir ni queue ni tête (Schwanz, Kopf – also tierisch). NL will dasselbe sagen, körperlos: „daran kann man keinTau festmachen“, je kunt er geen touw aan vastknopen.Hand in Hand, die eigene Haut retten, Arm in Arm, eine gute Hand für etwas haben, unter die Haut gehen, Fuß fassen, kalte Füße bekommen, jemandem in den Arm fallen, jemandem die Hand reichen, mit offenen Armen, jemandem auf den Fersen folgen, eine ehrliche Haut, den Rücken frei halten, mit beiden Beinen auf der Erde, die Schultern hängen lassen, einen Kniefall machen, Wadenbeißer, in die Knie gehen, aus der Haut fahren, jemandem den Rücken kehren, Lippenbekenntnis, jemanden beknien, jemandem auf die Füße treten, mit Haut und Haaren. Endlos … FußEndlos ist auch  die Liste der Herz- und Blut-Metaphern – in allen elf Sprachen. Nur zwei Beispiele:

GB,F,FIN, I,NL, PL,RU,SV,SP,CZ
Heißblütig:hot-blooded, kuumaverinen, avoir le sang chaud, di sangue caldo, heetbloedig, у него идет пар из ушей [u nego idjot par is uschei](jemandem kommt Dampf aus den Ohren), varmblodig, horkokrevný.Was genau heiß ist, überlassen PL (ognisty) und SP (ardiente) der Phantasie des Zuhörers:  „feurig“ halt.

Kaltherzig: Auch diese Charaktereigenschaft ist überall bekannt (cold-hearted, kylmäsydäminen), freilich nicht immer als Körperbild: froid/insensible und senza sentimenti. Herzlos, für uns fast dasselbe wie kaltherzig: harteloos,  bez serca und бессердечный [besserdetschnyi];  gefühlskalt: känslokall. Blut, nicht Herz: de sangre fria. Wörtlich kaltherzig in CZ: cladného srdce.

Herz und Blut stehen als Träger von Emfindungen, von Schmerz, Freude, Leben bildlich dicht beieinander. Die obigen Beispiele zeigen: nicht nur bei uns.

Ein Beispiel dafür, dass wir manche unserer Sprachbilder nicht erfahren, sondern lernen, ist der sinnlich schwer nachzuempfindende, aber allen bewusste Bedeutungsunterschied zwischen kaltblütig und kaltherzig, der auch in GB besteht: cold-blooded und cold-hearted.

Das durch Götz von Berlichigen berühmt gewordene Körperbild wollen wir nicht näher betrachten, sondern uns noch kurz in der Zone darüber umschauen:

Dort dreht’s einem den Magen um – ein gut bewährtes Bild für ein weniger gutes, aber offenbar überall auftretendes Gefühl – weitgehend wortgleich: it makes my stomach turn; vatsaani vääntää; cela me soulève l’estomac, mi fa girare lo stomaco, przewraca mi się w żołądku, det vänder sig i magen på en, me revuelca el estómago, to mi zvedá žaludek. In RU wird’s einem einfach übel: тошнит[toschit], und in NL drängt’s über den Hals hinaus: ergens van over zijn nek gaan.Bauchschmerzen, Bauchweh kennen wir seit je her auch als Bild – als eines der wenigen, die dieser Bereich uns beschert. Die Bauchlandung ist noch nicht alt, und so neu wie ästhetisch „gewöhnungsbedürftig“ ist das Bauchgefühl. Hat man ein solches (oder auch nicht), spricht man aus dem Bauch. Ganze TV-„Talk Shows“ – ich sag’ das jetzt mal aus dem Bauch (soll heißen: „habe keine Ahnung, aber muss ja was sagen“)werden so zu Bauchrednertreffs. Dicker BauchDünner BauchAuch das Bauchgefühl (immerhin auch: buikgevoel) ist ein Gefühl, und Gefühle sind bekanntlich Sache des Herzens. Das  muss einem also zuvor in die Hose rutschen. Trösten wir uns: GB kennt Ahnungen/Emotionen aus dem Darm – gut feeling. I hat das offenbar Unvermeidliche akzeptiert: sentimenti del tubo digerente. Was die anderen, aber wir nicht haben:

GB,F,FIN, I,NL, PL,RU,SV,SP,CZ


tongue in cheek – mit der Zunge in der Backe(ntasche) = ironisch verschmitzt; peukalo keskellä kämmentä – den Daumen mitten auf der Handfläche (= zwei linke Hände) haben; selkäsauna – Rückensauna = Prügel; valehdella niin että korvat heiluvat – lügen, dass die Ohren wackeln; avere gli orecchi foderati di prosciutto – die Ohren voll Schinken haben = Watte in den Ohren haben; een vinger in de pap hebben – einen Finger im Brei = Einfluss haben, met zijn tenen omhoog liggen – mit den Zehen nach oben liegen = tot sein/im Grab liegen;  mieć muchy w nosie– Fliegen in der Nase haben = launenhaft sein, (po)ciągnąć kogoś za język – jemanden an der Zunge ziehen = ausfragen; Löcher in den Bauch fragen намотат на ус [namotat na us] – in den Schnurrbart wickeln = hinter die Ohren schreiben, какая муха тебя укусила? [kakaja mucha tebja ukusila?] welche Fliege hat dich gebissen? = welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?; Моя хата с краю. Ничего не знаю [moja chata s kraju. Nitschego nje snaju]: Mein Haus steht am Rand (des Dorfes). Ich weiß von nichts. det passar som hand i handske – passt wie die Hand in den Handschuh = passt gut (fits like a glove).

Vytrhnout někomu trn z paty – jemandem den Dorn aus der Ferse ziehen = aus der Notlage helfen, nevytáhnout paty z domu – die Fersen nicht aus dem Hause ziehen = die Nase nicht zur Tür hinausstecken.

Nachtrag: Auch beim Blick auf die japanischen Körpermetaphern beginnen wir oben:

Nicht den Kopf zerbricht man sich dort, sondern Leber und Galle: 肝胆を砕く(kantan wo kudaku), und die Fliegen über dem Kopf verjagt man ( 頭の上の蝿を追う – atama no ueno hae wo ou), wenn wir uns an die eigene Nase fassen.

Wie unsere Haare sträuben sich auch japanische:  身の毛が弥立つ  (mi noke ga yodatsu), und beim Vorbeischrammen an einer Krise sind sie auch dort die kleinste Maßeinheit – um ein Haar: 危機一髪 (kiki ippatsu).

Blauäugigkeit steht in Fernost mangels Anschauung als Bild nicht zur Verfügung. Stattdessen gibt’s bei den Augen die Wahl zwischen schwarz und weiß. Solange die Augen noch schwarz sind, lebt man: 目の黒いうち  (me no kuroi uchi). Betrachtet man jemanden mit weißen Augen, so schaut man ihn hassvoll an: 白い目で見る (shiroi me de miru). Wer harte Augen hat, will nachts nicht schlafen: 目が堅い (me ga katai).

Wer bei uns hochnäsig ist, hat auch in JAP eine hohe Nase: 鼻が高い (hana ga takai). Wer uns rät, immer der Nase nach zu gehen, empfiehlt den Japanern, sich den Füßen zu überlassen: 足任せ (ashi makase).

Wer bei uns doppelzüngig oder in Wildwest mit gespaltener Zunge spricht, tut das auch in JAP: 舌を二枚に使う (shita wo nimai ni tsukau).

Die japanischen Blut- und Herzmetaphern unterscheiden sich nicht wesentlich von den europäischen. Als anatomische Basis der Emotionen kommt dort freilich der Bauchnabel hinzu. Den härtet man, wenn man etwas beschließt, sich auf etwas gefasst macht: 臍を固める (hozo wo katameru), oder man beißt sich in den Bauchnabel, wenn man etwas bereut: 臍を噛む (hozo wo kamu) (und hinreichend gelenkig ist).