Haus der deutschen Sprache
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Ruprecht Skasa-Weiß: Fünf Minuten Deutsch.

Modischer Murks in der Sprache

Ruprecht Skasa-Weiß: Fünf Minuten Deutsch - Modischer Murks in der SpracheÜbermütig hämmert die baden-württembergische Staatskanzlei dem Rest der Republik ein: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“. Und der Ministerpräsident verkündet gelassen, Englisch werde das Deutsche aus der Öffentlichkeit in den abendlichen Familienkreis zurückdrängen. Das ist das eine Stuttgart.

Das andere trifft man, nur wenige Kilometer entfernt, in der Redaktion der „Stuttgarter Zeitung“ (StZ). Die wurde, über das „Ländle“ hinaus, durch den Versuch bekannt, einmal einen Tag ohne Anglizismen im Blatt auszukommen. 2004 erhielt sie den „Institutionenpreis Deutsche Sprache“ für ihre Verdienste um diese Sprache – um die hochdeutsche Variante, versteht sich.

Seit Kriegsende weist die StZ witzig belehrend auf Unsitten des Sprachgebrauchs hin, auf alte und auf immer neue. Gelegentlich stammen die Beispiele aus der StZ selbst („…packen wir uns eilig selber an der Nase“). Von Anfang an hieß die Kolumne „Fünf Minuten Deutsch“. Seit 2003 schreibt sie Ruprecht Skasa-Weiß.

Aus der reichen Sammlung hat er knapp einhundert Stücke in ein Buch gepackt. Dort schrödert und merkelt es erheblich, d.h. es sind überwiegend neuere Texte.

Deren Lektüre ist kurzweilig und macht zugleich nachdenklich. Wer sich nicht hier und da ertappt fühlt, belügt sich vermutlich selbst.

Oder belügt er sich selber? Man kennt das Stocken der Feder, selbst oder selber? (Skasa-Weiß geht zurück zur Urform selb, in selbdritt, selbständig, selbiges noch knapp am Leben.) Er lässt beides gelten, selbst und selber. Eine Sorge weniger!

Mild ist er auch beim rätselhaften „Fugen-s oder -er“. Zahlen wir Einkommensteuer oder Einkommenssteuer? Das sei dem Finanzamt egal. Da gebe es keine zwingende Logik, eigentlich gar keine. Wieso Lebensfreude, aber Schadenfreude? Warum nicht Zähnebürste und Kindwagen? Nicht zu erklären.

Der Autor kann aber auch beißend spotten. Wie ein roter Faden zieht sich seine Verachtung für wichtigtuende, aufblähende Wörter oder Wortteile durch das Buch: froh darüber, dass (statt froh, dass); anempfehlen, vorprogrammieren, scheint offenbar, anbetreffend usw. Was sollen die sinnlosen Doppelungen wie in der Lage sein, etwas zu können oder gezwungen sein, etwas zu müssen?

Ein ganzes Kapitelchen gilt dem spektakelnden im Rahmen des/der statt bei, im, während, ein anderes dem nachklappenden her: von der Sache her. Immer öfter zu hören und durchweg falsch, da unlogisch: Teilnehmer, Kritiker an dem/der statt des/der (Lehrgangs/Reise/Plans). Oder die Ausstiegsklausel aus dem Kontrakt, der Attentatsversuch auf den Präsidenten.

Kurt und Gerda ärgern sich? Möglich. Oder ärgern sie einander? Es lebe der kleine Unterschied! Gibt es einen zwischen fürchten und befürchten? Zwischen scheinen und erscheinen? Gibt’s. Man muss nur ein wenig nachdenken.

Richtig Spaß hat Skasa-Weiß an den massenhaft nachgeplapperten Modewörtern wie machbar, von etwas ausgehen, dem Wetter oder Zufall geschuldet

Wer jede Woche „Fünf Minuten“ abliefern muss, darf auch mal auf „Klassiker“ zurückgreifen: auf scheinbar und anscheinend, lehren und lernen, auf das allmähliche Verschwinden des Konjunktivs (oder seines richtigen Gebrauchs), auf den Unfug mit den Anglizismen, die unselige Rechtschreibreform, auf zögerlich, auf die falsche Wortfolge nach weil (weil es ist ein Vorteil); auf den Ohrwurm „Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht …“, auf die falschen Imperative befehle und gehe (statt befiehl, geh). Wann heißt der Akkusativ Dirigent, wann Dirigenten?

Hier und da freut man sich: „Das habe ich doch schon als Kind richtig gemacht!“. Durchgehend hingegen freut man sich am Humor des Autors und seiner farbigen Sammlung von Beispielen.

CS

Ruprecht Skasa-Weiß: Fünf Minuten Deutsch. 2. Auflage, Stuttgart 2006. ISBN 978-3-608-94441-9, 208 S., 12,00 Euro.