Haus der deutschen Sprache
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Veronika Claßen, Armin Reins: Deutsch für Inländer.

Vom Schwall-Deutsch über Krass-Deutsch bis zum SIMS-Deutsch und Wellness-Deutsch: die 15 neuen Deutschs.

Claßen, Reins: Deutsch für InländerIm Titel brachte man nur vier der „15 neuen Deutschs“ unter. Bei den restlichen elf handelt es sich um

–    das mit Obszönitäten gespickte „Testosteron-Deutsch“ junger Männer, das sie in Gegenwart von Frauen lieber vermeiden sollten,
–    das verschwiemelte „Kulturzirkus-Deutsch“ der Vernissagen,
–    das „Gammel-Deutsch“ des Prekariats, das im Ruhrgebiet gesprochen wird,
–    das „Zweite-Heimat-Deutsch“ der zeitweiligen und dauerhaften Einwanderer,
–    das „Cool-Deutsch“ der Werbeagenturen und der After-Work-Party-Gänger,
das „Neufünfland-Deutsch“, mit dem angeblich die Jugend in den östlichen Bundesländern sprachliches Selbstbewußtsein gewinnt,
–    das „Betroffenheits-Deutsch“ und das „Stadl-Deutsch“ der Sozialpädagogen und anderer Gutmenschen,
–    das „Hip-hop-Deutsch“ und das „Pop-Sülz-Deutsch“ jugendlicher Subkulturen.

Jedes Kapitel beginnt mit einer Schilderung des sozialen Milieus, in dem das jeweilige „Deutsch“ angeblich gesprochen wird. Illustriert wird es durch einen Dialog, der bemüht humorvoll konstruiert ist. Dann kommt eine Wortliste, die vermutete Signalwörter (mit Übersetzungen ins Hochdeutsche und ggf. Erklärungen) enthält. Die beiden Autoren sind Werbetexter – das sieht man dem Büchlein überall an. Sie glauben, daß in 80 Jahren keiner mehr Deutsch spreche: „Bis dahin zerfällt unsere liebe Muttersprache in 15 Rest-Deutschs“. Das ist offensichtlich Humbug. Dem „Trendbüro Hamburg“ verdanken sie „die intensive Studie der Sprachgruppen“, bei denen sie ihre „15 Deutschs“ gefunden haben wollen. Ein Trendbüro ist keine gute Adresse für seriöse Sprachforschung. Eine Methodik wird nicht erkennbar, es wurde wahllos gesammelt und zugeordnet. Die Auswahl und die Abgrenzung der 15 „Deutschs“ zueinander sind willkürlich. Zur Gewinnung der Daten wird nichts gesagt. Man hätte ohne weiteres auch noch das Deutsch der Campingurlauber, der Fußballer, der SPD-Ortsvereine, der Evangelischen Kirchentage und der Bildungsreformer nach PISA einfügen können. Sonder-, Gruppen- und Szenesprachen gibt es nämlich viele. Das Buch möchte das Wehen des Zeitgeistes erhaschen und erwischt doch allenfalls die Staubfahne, die er hinterläßt. Im wesentlichen ist es albern, mitunter streift es das Läppische, oft lappt es ins Peinliche.

HG
Veronika Claßen, Armin Reins: Deutsch für Inländer. Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-596-17236-8, 299 S., 8,95 Euro.