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Thea Dorn und Richard Wagner: Die deutsche Seele

Angesichts der – zum Glück – seltener gewordenen Versuche, die deutsche Geschichte und Kultur als Hort negativer Kräfte zu beschreiben, atmet der Leser dieses Buches schon auf den ersten Seiten auf: Hier wird nicht ein weiteres Schreckensbild des Deutschseins gezeichnet, sondern Dorn und Wagner beklagen, wie Deutschland sich „herunterwirtschaftet“ und „sein Gedächtnis verliert“, obwohl gleichzeitig „ein wachsendes Deutschlandsehnen“ zu verspüren ist (S. 7).

Deutlich wird, dass sie der Zurückgewinnung eines Bewusstseins der Deutschen für das Eigene den Vorrang geben vor einer selbstvergessen-blinden Anbetung alles Fremden. Sie beschreiben, woher wir kommen, was Deutschlands Erbe ausmacht und was davon in die Gegenwart fortwirkt und geben mit dieser geistigen Rückbindung Orientierung zur Zukunftsgestaltung. Dazu ziehen sie Zentralbegriffe von „Abendbrot“ bis „Zerrissenheit“ heran, denen alphabetisch geordnete, mit Querverweisen und Verfasserangabe versehene Essays gewidmet werden.

Thea Dorn (geboren1970 in Offenbach) und Richard Wagner (geboren 1952 in Lovrin/Rumänien) unterscheiden sich in Alter, Herkunft, literarischer Methodik, aber gerade diese Differenzen machen einen Reiz des Buches aus. Wie bei einer Gesamtdarstellung kaum zu vermeiden, fehlen manche Themen und finden sich Artikel wie „Dauerwelle“ oder „Wurst“, die zwar unterhaltsam sind, aber wenig Klärendes beitragen. Ärgerlich sind zudem kleine Fehler wie der, aus dem Sattlergesellen Friedrich Ebert einen Buchdrucker zu machen (S. 83). Entschädigt wird der Leser durch exzellente Darstellungen etwa zur „Arbeitswut“ von Thea Dorn oder zur „Heimat“ von Richard Wagner. Manches dürfte auch deshalb fehlen, weil die Autoren sich nicht noch weiter in von den Hütern der Political Correctness vermintes Gelände vorwagen mochten. So verzichten Dorn und Wagner etwa auf das Stichwort „Vertreibung“ und damit auf das zentrale nationale Trauma, dass Millionen Deutsche aus den Ostgebieten und den meisten deutschen Siedlungsinseln in Ost- und Südosteuropa ihrer Heimat beraubt wurden.

Unbeschadet dieser Mängel haben wir es hier mit einem Realien- und Hausbuch für die Familie und für mehrere Generationen zu tun, dem man nur die weiteste Verbreitung wünschen kann.

Rolf Stolz

Dorn-Wagner_Deutsche_Seele
Thea Dorn und Richard Wagner: Die deutsche Seele. Albrecht Knaus Verlag München 2011, 560 Seiten, 26,90 Euro.
ISBN 978-3-8135-0451-4; Schmuckausgabe mit CD: Die Musik der deutschen Seele. 39,99 Euro. ISBN 978-3-8135-0548-1.

Beitrag aus VDS-Sprachnachrichten Nr. 56 (4/2012)