Haus der deutschen Sprache
Gedicht des Monats

Gedicht des Monats Januar 2013

Das Brot
Wilhelm Busch (1832-1908)

Er saß beim Frühstück äußerst grämlich,
Da sprach ein Krümchen Brot vernehmlich:
»Aha, so ist es mit dem Orden
Für diesmal wieder nichts geworden.
Ja, Freund, wer seinen Blick erweitert
Und schaut nach hinten und nach vorn,
Der preist den Kummer, denn er läutert.
Ich selber war ein Weizenkorn.
Mit vielen, die mir anverwandt,
Lag ich im rauhen Ackerland.
Bedrückt von einem Erdenkloß,
Macht’ ich mich mutig strebend los.
Gleich kam ein alter Has gehupft
Und hat mich an der Nas gezupft.
Und als es Winter ward, verfror,
Was peinlich ist, mein linkes Ohr.
Und als ich reif mit meiner Sippe,
O weh, da hat mit seiner Hippe
Der Hans uns rutschweg abgesäbelt
Und zum Ersticken festgeknebelt
Und auf die Tenne fortgeschafft,
Wo ihrer vier mit voller Kraft
In regelrechtem Flegeltakte
Uns klopften, daß die Schwarte knackte.
Ein Esel trug uns nach der Mühle.
Ich sage dir, das sind Gefühle,
Wenn man, zerrieben und gedrillt
Zum allerfeinsten Staubgebild,
Sich kaum besinnt und fast vergißt,
Ob Sonntag oder Montag ist.
Und schließlich schob der Bäckermeister,
Nachdem wir erst als zäher Kleister
In seinem Troge baß gehudelt,
Vermengt, geknetet und vernudelt,
Uns in des Ofens höchste Glut.
Jetzt sind wir Brot. Ist das nicht gut?
Frischauf, du hast genug, mein Lieber,
Greif zu und schneide nicht zu knapp,
Und streiche tüchtig Butter drüber,
Und gib den andern auch was ab!«

„Das Brot“ erzählt in einer durchgehenden Strophe von 40 Versen von einem Dialog am Frühstückstisch. Ein Brot spricht zu einem traurigen Mann und berichtet von seinem nicht immer leichten Leben. Das Brot beschreibt seinen Ursprung als Weizenkorn, so wuchs es mutig heran und lernte die Gefahren durch Feldtiere und Witterung kennen. Als aus dem Weizenkorn eine Ähre wird, wird es geerntet,  die Ähren gebunden, gedroschen, gemahlen und schließlich zu einem Brot gebacken. Der Dialog schließt mit der Aufforderung des Brotes an sein Gegenüber, sich auf seinen Wohlstand zu besinnen, nicht grämlich zu sein und das Brot mit reichlich Butter selber zu genießen und auch mit anderen zu teilen.

Dieses Gedicht lebt von der wörtlichen Rede, die 38 der 40 Verse umfasst. Diese ist, bis auf die Verse 5-8 und 37-40, im Paarreim gestaltet, unterbrochen und beendet von jeweils einem Kreuzreim. Das Gegenüber am Frühstückstisch wird direkt angesprochen (Ja, Freund) und das Brot erzählt seine Geschichte sehr emotional. Ausprüche (O weh; Ich sage dir), Aufzählungen (Vermengt, geknetet und vernudelt) und die bildhafte Sprache (zum Ersticken festgeknebelt; Klopften, dass die Schwarte knackte) vergleichen das Entstehene des Brotes mit einem Menschenleben – mit seinen Höhen und Tiefen.

 

Wilhelm Busch, Selbstporträt, 1894
Wilhelm Busch, Selbstporträt, 1894

Heinrich Christian Wilhelm Busch wird am 15.04.1832 in Wiedensahl, Niedersachsen geboren. Mit seinen sechs Geschwistern wächst er durch den Krämerladen seiner Eltern in guten Verhältnissen auf. Sein Vater prägt das Familienleben durch seinen protestantischen Glauben. Im Alter von neun Jahren wird Wilhelm Busch zu seinem Onkel nach Ebergötzen gegeben. Dort erhält er eine gute Bildung durch Schule und Privatunterricht. Die wichtigste Beziehung in seiner Jugend ist die Freundschaft zu Erich Bachmann. Diese findet in dem wohl bekanntesten Werk von ihm „Max und Moritz“ Nachhall. Bachmann soll eine optische Ähnlichkeit zu Moritz aufweisen. Willhelm Busch entspricht allerdings nicht der Figur des Max. Er ist ein ernster, verschlossener und zurückgezogener Junge, der kaum Streiche spielt.

1847 beginnt er ein Maschinenbaustudium am Polytechnikum in Hannover. Kurz vor dem Abschluss wechselt er 1851 an die Kunstakademie Düsseldorf. Entgegen seinen Erwartungen wird er jedoch nicht als fortgeschrittener Student eingeschrieben; daraufhin bleibt er den Vorlesungen fern. 1853 kehrt er mittellos nach einer Typhuserkrannung in seinen Heimatort Wiedensahl zurück.

Literarisch prägend ist seine darauffolgende Zeit in München, wo er Märchen, Balladen und Reime sammelt. In München möchte er sein Kunststudium wieder aufnehmen, was zu einem Zerwürfnis mit seinem Vater führt. Die folgenden vier Jahre bleibt Wilhelm Busch ziellos, erwägt nach Brasilien auszuwandern, um Bienen zu züchten.

Max und Moritz
Max und Moritz

Seine erste Bildergeschichte verfasst er mit 27 Jahren. Die Schriftstellerei dient ihm vor allem zum Gelderwerb. Zwischen 1860 und 1863 verfasst Wilhelm Busch Beiträge für den „Münchener Bilderbogen“ und die „Fliegenden Blätter“. Nachdem er sich beim Verleger Kaspar Braun eingeengt fühlt, wechselt er zu dem Verleger Heinrich Richter. Dieser lässt ihm freie Hand, und  veröffenlicht „Die Bilderpossen“, die allerdings ein Misserfolg werden. „Max und Moritz“ will Busch  daraufhin ohne Honorar veröffentlichen, was aber Heinrich Richter ablehnt. Sein ehemaliger Verleger Kasper Braun kauft daraufhin „Max und Moritz“ für 1000 Gulden und die Geschichte erfreut sich langsam aber stetig wachsender Beliebtheit.

Die wirtschaftliche Situation Wilhelm Buschs verbessert sich dadurch und er kehrt regelmäßig in seinen Geburtsort zurück. Seinen Lebensmittelpunkt bildet in der Zeit allerdings Frankfurt. Dort verbringt er, unterstützt von der Bankiersgattin Johanna Keßler seine produktivste Schaffensphase.

1896 verkauft Wilhelm Busch für 50.000 Goldmark alle Rechte an seinen Veröffentlichungen und stellt aufgrund seiner Sehschwäche und Zittern in den Händen die schriftstellerischen und illustratorischen Tätigkeiten ein. Am 09.01.1908 stirbt Wilhelm Busch.

Wilhelm Busch prägte mit seinen Gedichten und Geschichten die deutsche Sprache nachhaltig. Seine Stilmittel sind insbesondere Reime, Ironie, Verspottung, Überspitzung und Doppeldeutigkeit. In seinen Bildergeschichten tritt der Kontrast von komischen Zeichnungen und ernsten Begleittexten in den Vordergrund. Autoren wie Erich Kästner, Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern haben sich ihn zum Vorbild genommen.

Neben seinen Texten, die heute noch fast jedes Kind kennt, ist er auch präsent durch zahlreiche Briefmarken, den Wilhelm-Busch-Preis, der Wilhelm-Busch-Gesellschaft und dem Deutschen Museum für Karikatur und Zeichenkunst Wilhelm Busch.

Briefmarke
Jugendmarkenserie Max und Moritz

Bildquelle: Alle Bilder gemeinfrei aus Wikipedia-Artikel (Wilhelm Busch)